Der Schellenbaum

Seiner  Herkunft  nach ist  der Schellenbaum in den deutschen Heeren nicht als Instrument,  sondern als Siegestrophäe aufzufassen, die der Truppe bei besonderen  Anlässen  symbolhaft als  "Fahne der Musik" vorausgeführt wird.  Er wurde daher auch  nicht  von einem Hoboisten, sondern von einem Angehörigen der Truppe getragen.  

Der  Ursprung  des Schellenbaumes,  dessen  Name  bei uns von den zahlreich  angehängten  Schellen  abgeleitet  ist,  liegt   vermutlich  in China,  im  "Chinesischen  Schellenhut" (franz. chapeau chinois).   Er ist über Indien  nach  Kleinasien  gekommen und fand bei den Türken in den  Musikgruppen  der Janitscharen Aufnahme.  Mit den Schlaginstrumenten – Trommel, Becken  –  und dem  Triangel ( dem Vorläufer der Lyra) wurde er durch rhythmisches Schütteln zur  taktbestimmenden, charakteristischen Begleitung der  melodieführenden  Blasinstrumente. Die Janitscharenmusik, auch  "Türkische Musik" genannt, gelangte im  18. Jahrhundert  mit den  Türkenkriegen  in fast alle europäischen Heere.  Preußen  stellte eine derartige Musikbesetzung zuerst in  seinem  Artillerie - Regiment  zusammen (1740).  Sie bestand aus 16 "Mohren".

Der  Schellenbaum  hat  seine  äußere  Wesensmerkmale erst in den türkischen  Heerscharen  erhalten.  Neben  dem   Halbmond sind  es hauptsächlich  die  gefärbten  Rossschweife,  die  seine   türkische Abstammung unterstreichen.  Sie sind  von den Feldzeichen  hoher militärischer Würdenträger übernommen worden.  Deshalb  ist der  Schellenbaum   auch  als  Mohammedsfahne" bekannt.    Die   Engländer sprechen vom turkish  crescent (= türkischer Halbmond),  der  Soldatenmund  machte  daraus  jingling johnnie".  Bei den genannten Feldzeichen  hingen  die  Rossschweife  von  einem  Halbmond herab, der über einer gleichartigen Kugel an einem tragenden Stab befestigt war. Diese Zeichen wurden den Befehlshabern vorangetragen oder vor ihren Zelten aufgestellt.

Die  Zahl  der  Rossschweife  war verschieden;  dem  Sultan   standen sechs zu.  Über  die Entstehung  der Rossschweife  als türkische Abzeichen wird berichtet: "In einem Treffen gegen die Christen verloren die  Türken eine wichtige Fahne und mit ihr den Mut. Alles ergriff in der  größten  Verwirrung die Flucht. Da der General  dies  wahrnahm,  wusste  er sich nicht anders zu helfen,  als  dass er einem Pferd mit seinem Säbel den Schweif abhieb, ihn auf eine Pike heftete, sie emporhob und den  Fliehenden zurief:  "Hier ist die große Standarte;  wer  mich  liebt,   der folge mir". Die Türken fassten neuen Mut, schlossen sich wieder in feste Glieder, griffen den Feind herzhaft an und erkämpften den Sieg." Der  Schellenbaum  wurde  von  einzelnen  preußischen Truppenteilen bei ihrer Regimentsmusik erst eingeführt,  nachdem sie einen solchen im Laufe der Feldzüge 1813 / 15 erobert oder erbeutet hatten.  Als der König  seine  Erlaubnis zur Führung erteilt hatte  (nur für  Infanterie und Fußartillerie),  wurde es  zur  Prestige- und  Ehrensache,   dergleichen Trophäen  zu  besitzen.  Nach  dem  Kriege  waren es zuerst einzelne Stände,  dann auch  Städte,  die den in ihren  Provinzen  oder in ihren Mauern stehenden Regimentern als Zeichen des vaterländischen Dankes solche "Siegeszeichen" stifteten. Um in der dadurch verursachten Verschiedenartigkeit der Schellenbäume  eine  gewisse  Gleichheit zu erzielen, erließ Kaiser Wilhelm II. die für  Neuanschaffungen geltenden Bestimmungen vom 27.01.1902.  

 

Letzte Aktualisierung: 06.01.10                                                                                                                                                                    
Michael Pohl